Das Darmstädter Stadtmuseum als Grundstein
Grundstein für die Städtische Kunstsammlung Darmstadt war das Stadtmuseum, welches 1909 eröffnet wurde. Im Stadtmuseum wurden Objekte präsentiert, welche die Geschichte der Stadt Darmstadt und ihrer Bürgerschaft illustrieren konnten. Gezeigt wurden Alltagsgegenstände, Kunsthandwerk und Mobiliar ergänzt durch historische Dokumente wie Urkunden. Ab 1917 erwarb die Stadtverwaltung außerdem Gemälde von Darmstädter Künstlerinnen und Künstlern für die Ausstattung von Amtsräumen. Eine 1924 erfolgte Stiftung von zwölf Gemälden Arnold Böcklins ergänzte die städtische Kunstsammlung.
Foto: Unbekannt, Das Pädagog in Darmstadt, um 1930, Fotografie, Reproduktion: Stadtarchiv Darmstadt
Die Gründung der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt 1937
Bereits länger diskutierte Pläne zur öffentlichen Präsentation der in städtischem Besitz befindlichen Kunstwerke wurden im Jahr 1937 auf Initiative des Malers und Kunstprofessors Adolf Beyer (1869-1953) realisiert. Im städtischen Ausstellungsgebäude, das bereits 1908 nach Plänen von Joseph Maria Olbrich (1867-1908) errichtet worden war, sollte fortan Kunst der Moderne ab 1850 sowie hessische und Darmstädter Kunst präsentiert werden. Die neue Städtische Kunstsammlung wollte als Ergänzung zur staatlichen Kunstsammlung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt dienen.
Grundbestand der Städtischen Kunstsammlung war neben dem bereits vorhandenen städtischen Kunstbesitz die Kunstsammlung der Freien Vereinigung Darmstädter Künstler (FVDK), welche seit 1914 zusammengestellt worden war und 1936 als Schenkung in den Besitz der Stadt Darmstadt überging. Sie umfasste über 175 Werke. Zusätzlich erhielt die Stadt die „Moderne Galerie“ des Ständigen Rates zur Pflege der Kunst in Hessen als weitere Schenkung. Der Ständige Rat war wenige Monate zuvor am 23. Februar 1937 aufgelöst worden. Zwischen 1918 und 1922 hatte der Ständige Rat auf verschiedenen Ausstellungen insgesamt 23 Gemälde, 11 Plastiken, sieben Graphiken und eine Graphikmappe erworben. Leihgaben aus dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt sowie aus Privatbesitz ergänzten die Ausstellung, welche am 26. Mai 1937 im Ausstellungsgebäude auf der Mathildenhöhe eröffnet wurde. Sie war wohl bis 1944 an mehreren Tagen in der Woche für Besucher*innen zugänglich.
Die Einrichtung dieser - erstmals ständigen- Ausstellung der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt fand zur Zeit der NS-Diktatur statt und war eng verbunden mit der Person Adolf Beyers. Beyer war seit Ende des 19. Jahrhunderts eine äußerst einflussreiche Persönlichkeit des Darmstädter Kunst- und Kulturlebens. Er stand für ein traditionell-konservatives Kunstverständnis und war erklärter Gegner der künstlerischen Avantgarde der Weimarer Republik. Beyer fand Gefallen an der nationalsozialistischen Bewegung und trat am 1. Juli 1931 der NSDAP bei. Als Ratsherr gestaltete er die NS-Kulturpolitik in Darmstadt aktiv mit. Der Darmstädter Oberbürgermeister Otto Wamboldt (1884-1945) ernannte Beyer 1936 zum Kurator und Leiter der neuen Städtischen Kunstsammlung. Beide arbeiteten in der Folgezeit eng zusammen, vor allem bei Neuerwerbungen für die Kunstsammlung. Beyer wurde ab 1937 zudem vom Stadtarchivar und Leiter des Stadtmuseums, Dr. Adolf Müller (1890-1956), unterstützt.
Im Zuge der neu zu gestaltenden Präsentation der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt auf der Mathildenhöhe, sorgte Beyer für eine Aussonderung derjenigen Werke, die in der NS-Ideologie als „entartet“ verfemt wurden. Darunter befanden sich Gemälde bedeutender Expressionisten, die seither teilweise als verschollen gelten. So wurden u. a. die Werke Die Kurve von Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) und Rettungsboot von Max Pechstein (1881-1955) ausgesondert. Die Gemäldesammlung der Stadt Darmstadt wurde unter Beyer durch verschiedene Erwerbungen erweitert. So fiel der 1941 erfolgte Ankauf des Frühlingssturm Ludwig von Hofmanns (1861-1945) in die Ära Beyers. Als sich 2015 herausstellte, dass es sich dabei um einen unrechtmäßigen Erwerb vor dem Hintergrund der NS-Verfolgung gehandelt hatte, wurde das Gemälde von der Wissenschaftsstadt Darmstadt an die Erben restituiert.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden große Teile der Bestände in den Keller des Ludwigs-Bahnhofs in Darmstadt ausgelagert. Dadurch wurden offenbar nur wenige Werke der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt kriegsbedingt zerstört.
Foto: Blick in das Biedermeier-Zimmer bzw. Georg Moller-Zimmer im ehemaligen Stadtmuseum Darmstadt, welches sich ab 1935 im Pädagog befand, Stadtarchiv Darmstadt
Die Städtische Kunstsammlung nach 1945
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bemühte sich die Stadt Darmstadt, ihre Kunstsammlung weiter auszubauen und Sammlungslücken zu schließen. Zahlreiche Kunstwerke wurden seit den 1950er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit für die Städtische Kunstsammlung Darmstadt angekauft. Hierbei wurde der seit Gründung der Sammlung bestehende Schwerpunkt Darmstädter Malerei seit 1800 weitergeführt. Mit der Eröffnung des Museum Künstlerkolonie im Jahr 1990 kam als weiterer Sammlungsschwerpunkt die Kunst und das Kunsthandwerk des Jugendstils hinzu. Auch nimmt die zeitgenössische Kunst seit jeher einen bedeutenden Platz in der Sammlung ein. Präsentiert werden die Werke aus der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt derzeit im Museum Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, im Hessischen Landesmuseum Darmstadt sowie als Leihgaben in verschiedenen nationalen und internationalen Sonderausstellungen.
© Institut Mathildenhöhe Darmstadt, Juli 2020